Bergbau in Sulzbach-Rosenberg

 Ehemaliger Maxhütten-Arbeitsdirektor Manfred Leiss
Ehemaliger Maxhütten-Arbeitsdirektor Manfred Leiss"Bergbau, Maxhütte, Sozialgeschichte"
									
								Das Ende des Kohlebergbaus in Deutschland
Am
						 21. Dezember 2018 wurde in Bottrop die Zeche Prosper Haniel als letzte 
						Kohleförderanlage in Deutschland geschlossen. Damit endete die Ära der 
						Steinkohlenförderung, die für die Menschen, für die Sozialbeziehungen 
						und für die Industrialisierung in unserem Land so viel bedeutete und die
						 eine Region wie das Ruhrgebiet prägte. Auf dessen Feldern haben die 
						Bauern schon im 13.Jahrhundert auf ebenerdigen Flözen Kohle 
						eingesammelt. Die offenen liegenden Kohlefelder waren alsbald abgetragen
						 und als auch die Löcher und Gräben-(Pingen genannt)- nichts mehr 
						hergaben, mussten im 16.Jahrhundert in geringer Tiefe Stollen angelegt 
						werden und Kohle wurde in waagrechter Ebene geschürft.  Als Ursprung 
						gilt das Muttental bei Witten, wo seit 1578 Kohle in Stollen abgebaut 
						wurde. 
Die erste industrielle Revolution mit 
						der aufkommenden Stahlproduktion machte die Kohle zum unverzichtbaren 
						Stoff. Die Kohle wurde zum Treibstoff der Industrialisierung. 
Durch
						 die Veredlung der Kohle zu Koks erreichten die Hochöfen der 
						Stahlindustrie immer besseres Ausbringen. Die Montanindustrie-Kohle und 
						Stahl- wurde zur Schlüsselindustrie für die Industrialisierung, gehegt 
						und gelobt von den Mächtigen der Politik. Wie hätten Kriege geführt 
						werden können ohne Stahl und wie hätte die chemische Industrie in ihrer 
						Frühphase ohne Kohle ihre Produkte auf den Weg gebracht. Die Kohle von 
						der Ruhr war das Fundament für Deutschlands Industrialisierung und 
						seinen Aufstieg auch zur politischen Großmacht. 
Kohle stand 
						für Wärme, Licht, Energie, Transport, Fortbewegung, Medizin, Farbe und 
						Ernährung. Und als Kohle in immer größerer Tiefe abgebaut wurde und das 
						Wasser die Gewinnung behinderte, wurden die ersten erfundenen 
						Dampfmaschinen zum auspumpen eingesetzt. Daraus wurden dann die 
						fahrenden Dampfmaschinen, die Eisenbahn.
Für das Geschichtsbild des Ruhrbergbaus sind die Buchdokumente von Franz-Josef Brüggemeier, „Leben
						 vor Ort-Ruhrbergleute und Ruhrbergbau 1889-1919“, erschienen 1983 und 
						„Grubengold –Das Zeitalter der Kohle von 1750 bis heute“, erschienen 
						2018, Standardwerke. Im letzteren beschreibt er wie die Kohle ein 
						Zeitalter prägte, wie die Bergleute arbeiteten-es gab untertage 
						Solidarität, Zwist und Verzweiflung. Die Fragestellung, ob die Bergleute
						 zur Demokratisierung beigetragen haben, ist  zunächst hypothetisch, 
						denn die Arbeitsordnung im Bergbau war in der Anfangsphase brutal 
						hierarchisch und ausbeuterisch, oft in Leibeigenschaft gebunden und 
						massenweise Kinderarbeit. Englands erster Arbeiter, der 
						Unterhausabgeordneter wurde, hatte im Alter von sechs Jahren im Schacht 
						begonnen. Die Kohle hat nicht nur wirtschaftliche Wucht und Macht 
						verliehen; um gutes Ausbringen zu garantieren, wurden auch 
						Zugeständnisse der Kohlebarone erreicht und Ansätze für 
						Sozialpartnerschaft gefunden. Die im Umfeld der Kohleproduktion 
						entstandenen Einrichtungen, hier insbesondere die 
						Knappschaftskrankenhäuser hatten hohen Stellenwert und ihre 
						Nachfolgekliniken haben heute einen beachtlichen Ruf. Dass schließlich 
						das Urgestein Kohle dazu beitrug über die Montanunion die Europäische 
						Gemeinschaft ins Leben zu rufen, ist ein historisches Verdienst. In den 
						Unterausschüssen der Montanunion-ich war als Stahlvertreter für die IG 
						Metall manchmal dabei-, meist in Luxemburg zusammentretend, wurde vieles
						 für die Angleichung und Verbesserung der Sozialstandards der 
						Montanunionsländer geleistet. Insoweit erwies sich die Kohleindustrie 
						als Antriebsquelle für die europäische Einigung, zugegeben manchmal von 
						der expandierenden Stahlindustrie nicht immer gern gesehen.
Über
						 das Leben im Bergbau in der Frühphase, die harte und gefährliche Arbeit
						 vor Ort, wurde mitfühlend aber eher heroisch geredet. Und die 
						Veröffentlichungen über Missstände, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen
						 und schlimme Ausbeutung sind unterblieben oder wurden von den 
						Bergbaubaronen und der oberen Gesellschaft unterdrückt. Vielleicht hatte
						 in Frankreich und England Karl Marx und das Kommunistische Manifest 
						deutlicher Spuren hinterlassen. So konnte Emile Zola 1885 den bis heute 
						viel gelesenen  Roman „Germinal“ verfassen, mit dem die unmenschlichen 
						Verhältnisse in französischen Bergwerken des 19.Jahrhunderts beschrieben
						 werden und ein Aufstand der Arbeiter  brutal niedergeschlagen wird; 
						einige aber trotzdem an den Sieg des Sozialismus glaubten. 
Die
						 Kohle im Ruhrgebiet war verantwortlich für die größte 
						Einwanderungswelle in Deutschland bis zum ersten Weltkrieg: Eine halbe 
						Million Menschen sind eingewandert, die meisten aus Polen. Sie haben das
						 Ruhrgebiet, das Sozialverhalten und die zwischenmenschlichen 
						Beziehungen geprägt, mancherorts sogar mit Parallelgesellschaften. Und 
						sie sorgten für eine Nomenklatur, die bis heute verfolgbar ist. Und sie 
						haben auch Sportgeschichte geschrieben. Als auf der Zeche Consolidation 
						in Gelsenkirchen 1904 Schalke 04 gegründet wird, besteht die Hälfte der 
						Belegschaft aus Einwandereren aus Masuren und der Verein wurde lange 
						verächtlich „Polackenverein“ genannt. Der (Kohlen) Pott und die 
						industriell geförderte Steinkohle, das war 200 Jahre nicht voneinander 
						zu trennen. Das Freizeit- und Sozialverhalten hatte viel Varianten, 
						manches war eigener Kult, wie etwa das schnelle Pils in der Eckkneipe 
						nach der Schicht, wie ich es selber 1953 in Dortmund noch erlebt habe. 
						Das war die Zeit mit den höchsten Produktionszahlen und einem 
						Arbeitspotenzial von
384.000 Menschen an der Ruhr und im 
						Saarland. Die Bergleute verfluchten und verehrten ihre Maloche, das weiß
						 ich aus vielen Gesprächen. Sie waren stolz auf das, was sie dem Berg an
						 wertvollem Stoff Kohle abgerungen haben, wohlwissend um die 
						Gefährlichkeit ihres Berufsstandes.
Und da muß man sich 
						Tausender Kumpel erinnern, die ihre wohlverdiente Rente nicht erlebt 
						haben und viel zu früh an Staublunge gestorben sind; und wie ich es auch
						 erlebte, in fast schicksalhafter und manchmal frömmiger Ergebenheit ihr
						 Los hingenommen haben.      
Und wie viel mehr hätte die 
						deutsche Bevölkerung in der Nachkriegszeit gefroren, wenn es nicht die 
						Sonderschichten der Kohlekumpels gegeben hätte. Und nicht zu vergessen 
						den Bildungs- und Kulturbeitrag. Dank ihrer Bereitschaft und mit 
						gewerkschaftlicher Unterstützung entstand in den ersten Nachkriegsjahren
						 das Tauschgeschäft Kohle gegen „gewärmte“ Kunst. Daraus sind die 
						Ruhrfestspiele in Recklinghausen entstanden.
Die Kohle und ihr
						 Abbau an der Ruhr waren über lange Jahre subventionsabhängig mit 
						zeitweise 80.000 Euro pro Arbeitsplatz, um Arbeitsplätze zu erhalten. 
						Bis zu 4 Mrd. hat der Bund dafür ausgegeben. Und wie in keinem anderen 
						Industriezweig wurden für die Kumpels sozialverträgliche Lösungen bei 
						der „Abkehr“ vom Arbeitsplatz gefunden, damit keiner „in`s bergfreie“ 
						gefallen ist.
Der Strukturwandel, diesen 
						mühsamen und schmerzhaften Anpassungsprozess durchleben und durchleiden 
						die mehr als fünf Millionen Menschen im Ruhrgebiet seit nunmehr seit 
						zwei Generationen. Die Arbeitslosenquote dümpelt knapp unter 10 %, in 
						Duisburg, Essen, Gelsenkirchen oder Dortmund lebt jeder Fünfte von Hartz
						 IV. Einer der Vorzeigebetriebe für Umstrukturierung in den 60iger 
						Jahren war der inzwischen geschlossene Opelbetrieb. Viele Initiativen 
						haben zur Trendwende in Richtung neuer Technologiebetriebe geführt, 
						Forschungsinstitute haben sich niedergelassen und die Hochschulen in NRW
						 genießen guten Ruf. 
Trotzdem erfuhr die Umstrukturierung mit
						 der Wende 1989 einen Knick. Der alte Westen wurde zum Opfer des neuen 
						Ostens. Mit den finanziellen Lasten der Deutschen Einheit für die 
						ärmsten Städte an der Ruhr nahm deren Schuldenlast zu und die 
						Regierungen in Berlin und Düsseldorf haben es unterlassen die 
						Altschulden in einen Sonderfonds umzuschichten. Dort wo die Bergleute 
						wegzogen sind, kamen wegen niedriger Mieten Sozialschwache, Arbeitslose,
						 Flüchtlinge. Manche Stadtteile verkommen zu Zonen inländischer 
						Abschiebung, zu Ghettos. Die Kinder haben kaum Chancen auf eine gute 
						Ausbildung und höhere Abschlüsse. 
Noch 
						arbeiten 4000 Menschen bei der RAG und ab 2022 werden es noch 500 sein, 
						die überwiegend Schächte und Bergbauflächen von Altlasten befreien, 
						sogen. Ewigkeitskosten von 220 Mio Euro per anno. Zur Finanzierung wurde
						 durch die Gründung des evonik-Chemiekonzerns gesorgt, in den 2007 die 
						zukunftsträchtigen Geschäfte der RAG eingebracht wurden. Zuletzt 
						erzielte evonik einen Jahresüberschuss von 430 Mio Euro, so daß der 
						öffentlichen Hand die Ewigkeitskosten erspart bleiben. 
In den
						 letzten 20 Jahren hat RAG 85.000 Arbeitsplätze abgebaut, 45.000 gingen 
						in Ruhestand oder Vorruhestand. Eine größere Anzahl wurde in andere 
						Beschäftigungen gebracht wie Berufsfeuerwehren, zur Bahn oder in 
						Flughäfen. Etwas befremdlich mutet an, dass Beschäftigte der RAG trotz 
						einer vertretbaren Abfindung für ihnen vertraglich zustehende 
						Deputatkohle bis zum Lebensende nun den Rechtsweg beschreiten und von 
						der auch von der Gewerkschaft BCE beschworenen „Partnerschaft auf 
						Augenhöhe“ nichts halten.
Die Stahlwerke müssen, soweit sie 
						Kohle oder Kokskohle für ihre Produktion benötigen, diese aus dem 
						Ausland beziehen oder sie wenden sich den in Rede stehenden neuen 
						Methoden zu. Auch die eine bestimmte Zeit am Netz bleibenden 
						Kohlekraftwerke müssen die benötigte Kohle im Ausland einkaufen. 2018 
						wurden 13 % des Stroms in Deutschland in Kohlekraftwerken erzeugt. 
						      
Dass trotz der Kampfaktionen um den 
						Hambacher Wald NRW`s Landesregierung am schnellen Kohleausstieg-wohl mit
						 Rücksicht auf die Energieunternehmen- rüttelt, führt zu unnötigen 
						Konflikten mit den Umweltverbänden. Dass der Vorsitzende der Deutschen 
						Umweltstiftung Sommer sagt, die Kohlekommission spiele Klimaschutz und 
						Wohlstand gegeneinander aus und man müsse weiteres Wirtschaftswachstumm 
						verhindern, schießt über das Ziel hinaus. Es muß doch Wege geben, 
						Wachstum, Wohlstand, Beschäftigung und ökologische Zielsetzungen zu 
						einem tragfähigen Kompromiß zu führen.  
Der Ausstieg aus der 
						Kohle ist Teil der Energiewende und unserer Umwelt verpflichtet. 
						Insoweit sind gelegentliche Bemerkungen, dass Kohle in Indonesien, 
						Südafrika oder Kolumbien billiger gefördert wird, süffisant. Es geht 
						nicht um Marktpreise der Energieträger und Konkurrenten der Kohle wie 
						Gas und Öl, sondern um Existenzbedingungen der Menschheit, sicher 
						demnächst auch in Indonesien. Da sind Forschungsergebnisse 
						erwähnenswert, über Unmengen an ultrafeinen Staubpartikeln, die trotz 
						der Abgasreinigung von Kohlekraftwerken ausgestoßen in hohen 
						Luftschichten anzutreffen sind. Und australische Forscher sahen einen 
						Zusammenhang zwischen Inbetriebnahme von neuen Kohlekraftwerken und den 
						Regenmengen in Australien.   
Die Stilllegung 
						der Kohlezechen birgt auch Risiken. Bleibt zu hoffen, dass keine 
						Bergsenkungen eintreten, die Gebäude übertage gefährden könnten. Bei den
						 gegebenen geologischen Formationen unwahrscheinlich. Aber wer weiß ob 
						die Abauorte mit Versatz verfüllt wurden oder auch Wasserläufe 
						Veränderungen untertage Wirkungen übertage herbeiführen könnten. Bleibt 
						zu hoffen, dass die Experten mit ihren Versuchen die riesigen Mengen 
						Wasser nutzen können und  in den Wärmekreislauf einspeisen können. 
						Insoweit ist das alte Kohlerevier zu einem Versuchslabor mit 
						ökologischere Bedeutung geworden.       
Nicht vergessen 
						werden dürfen die Bergbauregionen im Osten Deutschlands wie etwa in der 
						Lausitz. Mit dem beschlossenen Ende der Braunkohle wird nun auch in 
						dieser Region die letzte große Industrie abgewickelt. Der Bergbau wird 
						trotz aller Naturierung ein entkerntes Land hinterlassen und die 
						Umstrukturierung mühsam sein. Bleibt zu hoffen, dass bei der Ansiedlung 
						neuer Industrien nicht wieder eine Geldhaiepraxis wie einst bei der 
						TREUHAND greift.
Nach Vorgaben der Kohlekommission der 
						Bundesregierung wird die Lausitz über einen Zeitraum von 20 Jahren 18 
						Mrd. Euro erhalten.  
In der Lausitz und dem mitteldeutschen 
						Revier in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, dem Rheinischen 
						Revier in NRW und dem Helmstedter Revier in Niedersachsen droht der 
						Wegfall von bis zu 60.000 Jobs. Zudem fallen jährlich 3,3 Mrd. Euro 
						Wirtschaftsleistung weg. In den 40 Mrd. Euro für den Kohleausstieg sind 
						Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber bei vorzeitiger Abschaltung 
						ihrer Anlagen noch nicht enthalten. Steuerzahler hilf! Welche 
						zusätzlichen Aufwendungen anfallen, wenn die Abschaltung der 
						Kohlekraftwerke vor 2038 vollzogen wird, ist offen.   
© Manfred Leiss
