Bergbau in Sulzbach-Rosenberg


Helmut Heinl Autorenseite
"Leben in der Bergmannssiedlung"
									
								Rauben (Bergmännischer Fachbegriff)
Rauben war, aus den Strecken der abgebauten Grubenfelder alle Bauten zu entfernen.
Dazu
						 wurden mit einer pressluftangetriebenen Seilwinde aus sicherer 
						Entfernung die Baue (Stützen, Stempel) herausgezogen. Durch die dann 
						umgekippten und weggezogenen Türstöcke wurde die Decke nicht mehr 
						abgestützt und  stürzte ein. 
Das
						 Material wurde bis hinter die Seilwinde getragen. Von da übernahmen 
						andere Kameraden den Transport nach über Tage. Das Holz durfte in der 
						Grube nicht mehr verwendet werden. Die Bergleute erhielten es vom 
						Obersteiger als Brennholz zugeteilt.
Wie ging das Rauben genau vor sich?
Wenn
						 das Erz bis an die Erzgrenze abgebaut war, begann der Rückbau. Die 
						Ausbauten, die die Strecke und damit die Bergleute, vor dem Gebirgsdruck
						 schützten, wurden entfernt. Die Arbeit war gefährlich. Es wurden nur 
						erfahrene Bergleute, maximal 2-3 Mann, eingesetzt. Sie waren aufeinander
						 eingespielt, erkannten am Zustand der Stempel und der Deckenbretter wie
						 hoch der von oben kommende Druck und damit auch die Gefahr beim Rauben 
						war. Durchgedrückte und gebrochene Deckenbretter und angebrochene 
						Stempel zeigten dem erfahrenen Bergmann, dass das Gebirge über ihm in 
						Bewegung war. Für Bergleute „plauderte“ das Holz. Sie konnten am Knacken
						 und Knistern der Bretter und Stempel und deren Zustand abschätzen, wie 
						sie beim Rauben vorgehen mussten.
Die
						 Stempel wurden bereits beim Auffahren der Strecke in Vertiefungen 
						gestellt, damit sie nicht seitlich ausweichen konnten. Die Kappe, das 
						obere Querholz, wurde zur Decke verkeilt. Je größer der Gebirgsdruck 
						war, desto dichter wurden die Stempel nebeneinander gestellt. Damit kein
						 loses Gestein herunterfallen konnte, schoben die Bergleute halbierte, 
						dünnere Rundhölzer oder Bretter ein. Um die Türstöcke gegen seitliches 
						Verschieben zu sichern, wurden sie mit unterschiedlich langen Klammern 
						verbunden. All das musste beim Rauben wieder herausgenommen werden – je 
						mehr, desto besser. Die Klammern konnten wieder verwendet werden, das 
						Holz wurde Brennholz für die Kameraden.
Zunächst
						 wurden die nicht mehr benötigten Schienen am Boden entfernt und 
						zurückgetragen, dann folgte der Holz-Ausbau. Wenn irgend möglich, wurde 
						immer im Schutz des stehenden, sicheren Ausbaus gearbeitet. Zuerst 
						wurden die Klammern aus dem Holz herausgezogen und anschließend der Fuß 
						der Stempel freigelegt, sodass sie weggezogen werden konnten. Im 
						nächsten Schritt wurden dann die Stempel unten an ein starkes Stahlseil 
						angehängt, das zu einer weiter zurückliegenden Pressluft-Haspel führte. 
						Die Bergleute zogen sich an einen sicheren Platz hinter der Haspel 
						zurück und ließen die Winde anlaufen. Das Rattern der Winde übertönte 
						das Ächzen der Hölzer und nach wenigen Sekunden krachte das lose Erz 
						herunter. Meistens war es durch den Druck des gelockerten Gebirges 
						bereits mürbe, stürzte mit einem Ruck herunter und rieselte in die 
						abgesicherte Strecke.
Die
						 Kameraden zogen nun mit der Winde die Hölzer heraus und begannen, im 
						Schutz der noch stehenden Türstöcke, das Erz wegzuschaufeln. Große 
						Erzbrocken wurden mit dem Pickhammer zerkleinert, mittelgroße gleich in 
						den bereitstehenden Hunt geworfen. Der Schlepper schob den Wagen zur 
						Erzrolle.
War das Erz an der 
						Decke nicht herabgefallen, wurde mit langen Stangen oder Sprengstoff 
						nachgeholfen. War es sehr hart, wurde vom sicheren Ausbau aus schräg in 
						die Decke gebohrt, die Löcher geladen geschossen, wie der Bergmann sagt.
						 Hier war immer wieder die Erfahrung, aber auch das Bauchgefühl der 
						Bergleute gefragt. Denn niemand konnte mit absoluter Sicherheit sagen, 
						wie sich das Gebirge verhielt. Auch wenn es zunächst standfest erschien,
						 konnte es plötzlich, mit einem Schlag und ungeheurer Wucht herabstürzen
						 und alles darunter begraben. 
Diese
						 Rückbau-Arbeiten wiederholte sich, im Dreischicht-Betrieb so lange, bis
						 der Blindschacht erreicht war und die ausgeerzte Strecke verschlossen 
						wurde.
© Helmut Heinl 2023
								